Linien und Fäden in der Architektur und Kulturtheorie
Seminar SoSe 19
M.Sc. Forschungsmodul
Dozentin: Prof. Dr. phil. Caroline Torra-Mattenklott und Prof. Axel Sowa
In Kooperation mit Lehrstuhl für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Wissensformen
Termine: Do., 10.30-12 Uhr, SFo2 im Kármán-Auditorium
Erste Veranstaltung: Donnerstag, 4. April 2019
Die Wörter ‚Text‘ und ‚Architektur‘ sind verwandt: Sie hängen etymologisch mit dem lateinischen Verb texo, ‚flechten‘, ‚weben‘ zusammen, das einerseits auf das Flechtwerk als archaische Technik des Häuserbaus, andererseits auf die Textur, d.h. das Gewebe der Rede verweist – ein Bildbereich, aus dem Metaphern wie die des roten Fadens, des Wortflechtens und Geschichtenspinnens abzuleiten sind. In abstrakterer Bedeutung – als Grenzlinie, mit der ein Raumausschnitt im wörtlichen Sinne ‚umschrieben‘ wird – spielt der Faden eine konstitutive Rolle in griechisch-römischen Stadtgründungsmythen. So erbittet die phönizische Prinzessin Dido sich von dem Numidierkönig Iarbas so viel Land, wie eine Kuhhaut umfassen kann, schneidet die Kuhhaut in einen langen, dünnen Streifen und misst damit das Territorium der künftigen Stadt Karthago ab. Im Seminar befassen wir uns in interdisziplinärer Perspektive mit konstruktiven, epistemischen und ästhetischen Funktionen von Linien und Fäden. Das Seminar ist für Studierende der Architektur sowie der Literatur- und Sprachwissenschaft konzipiert, steht aber auch Studierenden anderer Fächer offen.
Zur vorbereitenden Lektüre empfohlen:
John Scheid/Jesper Svenbro: The Craft of Zeus. Myths of Weaving and Fabric, Cambridge, MA: Harvard UP, 2001.
Sabine Mainberger/Esther Ramharter: Linienwissen und Liniendenken, Berlin/Boston: De Gruyter, 2017.