1958

1958

1958
Seminar SoSe 13
B.Sc., M.Sc., Dipl. | Wahlmodul
Dozenten: Prof. Axel Sowa, WM Ariane Wilson

Vieles von dem, was die moderne Avantgarde bewegte, schien am Ende der 1950er Jahre erreicht. Mit der Erschließung neuer Energiequellen, der Steigerung der Produktivität sowie dem Ausbau von Infrastruktur- und Kommunikationsnetzen, begann die flächendeckende Modernisierung der Lebenswelten. Auch die Welt des Bauens konnte nur noch unter modernen Vorzeichen gedacht werden. Die Überführung moderner Träume von Fortschritt, Überwindung und Beschleunigung in den Zustand ihrer massiven Verwirklichung war allerdings nicht ohne den Preis der Ernüchterung erhältlich. Dem Jahr 1958 kommt in dieser Hinsicht eine Schlüsselrolle zu. 1958 werden emblematische Großprojekte wie das Seagram-Building und die indische Stadt Chandigarh fertig gestellt. 1958 empfängt die Brüsseler Weltausstellung ihre Besucher mit einem atemberaubenden Aufgebot modernster Architekturen und orbitaler Sehnsüchte. Doch im Jahr 1958 bilden sich auch erste Risse im modernen Ideengebäude. Zweifel werden laut: Hinsichtlich der Verquickung von Bauwirtschaft und Funktionalismus, hinsichtlich der Legitimität moderner Universalitätsansprüche, hinsichtlich des unspezifischen Menschenbildes, mit dem moderne Planung operiert. Vor dem politischen Hintergrund des kalten Krieges, des Algerienkrieges und der kubanischen Revolution formiert sich eine Schar jüngerer Architekten und fordert, die Agenda der Moderne neu zu justieren. Als das Jahr 1958 schon fast vorbei ist, fragt Theodor W. Adorno in seinen Frankfurter Ästhetik-Vorlesungen, wie denn künstlerisches Schaffen im Zustand allgemeiner Entfremdung überhaupt vorstellbar sei.

Das Seminar, betitelt mit der Jahreszahl 1958, dient der Rekonstruktion eines intellektuellen und architekturtheoretischen Kontextes. Anhand von Zeugnissen der Baukunst, historischen Quellen und Aufzeichnungen persönlicher Erinnerungen werden wir versuchen ein Bild jener zwölf Monate zu rekonstruieren, von denen wir vermuten, dass sie für das Verständnis der Moderne höchst aufschlussreich sind.